Familienpolitische Forderungen des KRFD
Für eine erkennbare Mehrkindpolitik in Deutschland
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestimmen momentan die Debatte in Deutschland. Und das ist gut so, besteht doch bei diesem Thema ein großer Nachholbedarf gegenüber anderen europäischen Ländern, die bereits seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Maßnahmen dieses Thema forcieren. Der Fokus auf dieses Thema lässt jedoch die Interessen einer wichtigen Gruppe unter den Familien mehr oder weniger außen vor: die der Mehrkindfamilien. In der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom Mai 1011 zur „Familienpolitik und demographischer Wandel“ wird die Berücksichtigung der besonderen Lage kinderreicher Familien als Schlüsselfaktor für den Erfolg familienpolitischer Maßnahmen gesehen (SOC/399). Zu Recht, denn der größte Teil der Familien mit drei oder mehr Kindern kann keine doppelte Berufstätigkeit aufnehmen. In einem großen Teil der 1,5 Millionen Großfamilien in Deutschland bleibt ein Ehepartner für mehrere Jahre zur Versorgung der Kinder zu Hause. Und doch schaffen sie für die deutsche Gesellschaft einen unschätzbaren Wert: Kinder.
Der KRFD setzt sich daher dafür ein, dass die Förderung der Großfamilien neben dem Thema „Beruf und Familie“ zur zweiten Säule und Zielsetzung der deutschen Familienpolitik wird. Dass diese beiden Ziele in keinster Weise gegensätzlich sein müssen, sondern Hand in Hand gehen können, zeigt die französische Familienpolitik.
Warum sind Mehrkindfamilien so wichtig für Deutschland?
Großfamilien spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, den demographischen Wandel zu verlangsamen und in weiterer Zukunft vielleicht sogar wieder umzukehren. Vergleicht man Deutschland beispielsweise mit anderen europäischen Ländern, so wird deutlich, eine alleinige Konzentration auf das wichtige Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ reicht nicht, um eine ausreichend hohe Geburtenrate zu erzielen, die zu einer ansatzweise ausgeglichenen Altersstruktur führen kann. Auch eine Förderung der Großfamilien ist dafür wichtig. Frankreich beispielsweise setzt in seiner Familienpolitik klar auf „Beruf und Familie“ UND „Großfamilien“. Es weist eine weit bessere Altersstruktur vor als andere europäische Länder, die sich nur auf das Thema "Beruf und Familie" konzentrieren. Daher plädieren wir als Verband dafür, auch in Deutschland beides zu Säulen unserer Familienpolitik zu machen.
Warum gibt es so wenig kinderreiche Familien in Deutschland?
Zahlreiche Umfragen belegen: Familien entscheiden sich oft aus Existenzängsten gegen mehrere Kinder. Dabei spielt vor allem die finanzielle Situation der Großfamilie eine große Rolle.
Die finanzielle Belastung von Familien ist groß, weil ...
- Deutschland im OECD-Vergleich die dritthöchste Abgabenlast weltweit hat,
- das Steuersystem nur unzureichend berücksichtigt, wie viele Kinder eine Familie hat,
- die deutsche Mehrwertsteuer vor allem die großen Familien trifft, die aufgrund des erhöhten Bedarfs an Konsumgütern überproportional mit Steuern belastet werden,
- die Beiträge zur Sozialversicherung wegen des demographischen Wandels immer höher werden und bei den Beiträgen zur Sozialversicherung die notwendige Einberechnung der Anzahl der Kinder fehlt,
- Familien oft berufliche Nachteile erfahren, da sie mehr Zeit in die Familie investieren müssen und wollen.
Diese Punkte möchten wir gemeinsam mit Politik und Wirtschaft angehen. Dabei verfolgen wir folgende Ziele:
Weiterentwicklung des Ehegattensplittings zu einer effektiveren Familienförderung
Das Ehegattensplitting wurde geschaffen, um der gegenseitigen finanziellen Verantwortung der Ehepartner gerecht zu werden und sie als Basis der Familiengründung zu fördern. Das Geld kommt jedoch heute leider nur zu geringen Teilen wirklich bei Familien an, die es benötigen, denn ...
- es stellt die Besteuerung von Familien mit der kinderloser Ehepaare gleich. Für das Splitting ist unwesentlich, ob davon zwei Personen oder eine Familie mit Kindern leben.
- Das Ehegattensplitting berücksichtigt auch nicht die Familiengröße und führt so zu einer weiteren ungleichen Behandlung.
Der KRFD fordert eine Weiterentwicklung des Ehegattensplittings hin zu einer konkreten Förderung der Familien mit Kindern. Dabei sollte die Besteuerung die tatsächliche Familiengröße berücksichtigen. Wichtig ist eine gezielte Förderung von Familien in der Phase ihres Lebens, in der der Finanzierungsbedarf hoch ist. Das betrifft die Zeit, in der die Kinder noch jung sind. Hierbei ist uns klar, dass ein solches System gut gestaltet werden muss, um sozial fair zu sein. Mögliche Parameter zur Änderung:
- Eine deutliche Erhöhung des Steuerfreibetrages für Kinder. Ein Steuerfreibetrag von 10.000 Euro pro Kind könnte sinnvoll sein, ab dem dritten Kind sollte sich dieser nochmal erhöhen, auf beispielsweise 12.000 Euro. So könnte man sicherstellen, dass,ähnlich wie in Frankreich, besonders kinderreiche Familien unterstützt werden. Die Staffelung des Steuerfreibetrags nach der Zahl der Kinder trägt dem Umstand Rechnung, dass es mit jedem weiteren Kind schwieriger wird, dass beide Elternteile erwerbstätig sind. In Mehrkindfamilien spezialisiert sich häufig ein Elternteil auf die Familie.
- Das Kindergeld soll entsprechend der Erhöhung des Steuerfreibetrags ebenfalls erhöht werden, damit auch Eltern mit mittleren und niedrigen Einkommen von der Reform profitieren.
Vorteile des vorgeschlagenen Modells:
- Kinder werden im bestehenden System des Ehegattensplittings stärker berücksichtigt.
- Auch unverheiratete Eltern profitieren von dem höheren Kindersteuerfreibetrag.
- Großfamilien werden gezielt gefördert, da eine Staffelung nach der Kinderzahl erfolgt.
Für ein Ende der strukturellen Benachteiligung im deutschen Sozialversicherungssystem
„Kinder kriegen die Leute immer“, wird Konrad Adenauer anlässlich der Einführung der großen Rentenreform immer wieder gern zitiert. Dieser gravierenden Fehleinschätzung eines der bekanntesten Deutschen verdanken wir momentan massive Probleme in unserem staatlichen Rentensystem. So führte diese Grundannahme damals dazu, dass die große Rentenreform damals nur die Hälfte des sogenannten Schreiber-Planes umsetzte. Schreibers Vorschlag, mit einer Kindheits- und Jugendrente gleichzeitig eine Umverteilung von der erwerbstätigen Generation zur jungen Generation vorzunehmen, wurde nicht umgesetzt. Dies hat die Deutschen von der Notwendigkeit einer Familiengründung zur Zukunftssicherung befreit, da sie in ihrem individuellen Kalkül davon ausgehen können, dass sie allein durch den Erwerb von Anwartschaften ihre Rente sichern. Zukünftige Sozialversicherungsbeiträge werden jedoch logischerweise von denen erwirtschaftet, die heute Kinder sind. So werden Kinderlose von den Beiträgen der Kinder anderer mitfinanziert, ohne jedoch die Investitionen in diese Generationen mitgetragen zu haben. Schlimmer noch: sie können durch eine klare Fokussierung ihrer Zeit auf das berufliche Weiterkommen ein höheres Einkommen erreichen und daher mehr in die Rentenkasse einbezahlen. Noch dazu haben sie mehr verfügbares Einkommen mit dem sie privat vorsorgen können. Sie stehen also doppelt besser da, als die Leistungsträger der Familien, die ihr Vermögen in Kinder investiert haben. Diese Einsicht führt zu den folgenden Änderungsvorschlägen:
Berücksichtigung des Existenzminimums von Kindern in der Sozialversicherung
Die Sozialversicherungen behandeln die Ausgaben für Kinder wie die Ausgaben für ein teures Hobby. Bei der Berechnung der Sozialabgaben werden Kinder – anders als bei der Einkommensteuer – nicht berücksichtigt. Während das Existenzminimum eines Kindes vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird, spielt die Existenz von Kindern für die Höhe der Sozialversicherungsabgaben keine Rolle. Das Einkommen eines Familienvaters wird in gleichem Umfang mit Abgaben belegt wie das eines Kinderlosen. Dies wurde gerade bezüglich der Rentenversicherung bereits mehrfach vom Bundesverfassungsgericht gerügt.
Das deutsche Sozialversicherungssystem als Umlageverfahren baut auf einem Drei-Generationen-Vertrag auf: Nur wer Beiträge zahlt UND Kinder großzieht, hat einen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung.
Da de facto in Deutschland aber bereits durch das Zahlen von Beiträgen Renten- und Krankenversicherungsansprüche entstehen, werden Eltern gegenüber Kinderlosen benachteiligt. Die geltenden Regelungen mit denen die Leistungen von Familien anerkannt werden, greifen zu kurz. Dazu zählen beispielsweise die kostenlose Mitversicherung von Kindern und nichterwerbstätigen Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Anerkennung von Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der KRFD fordert daher, das Existenzminimum für Kinder vom Einkommen abzuziehen, bevor die Sozialabgaben berechnet werden.
Erhöhung der berücksichtigten Erziehungszeiten
Momentan werden maximal drei Jahre Erziehungszeit im Rahmen der Rentenversicherung berücksichtigt. Kinder benötigen aber viel mehr Zeit, und drei Jahre umfassen in keinster Weise die investierte Zeit für die Erziehung und Betreuung eines Kindes. Es wird auch in keiner Weise berücksichtigt, wenn Eltern ihre Arbeitszeiten über mehrere Jahre einschränken, um Erziehungsarbeit zu leisten.
Der KRFD fordert eine Erhöhung der anrechenbaren Erziehungszeit. Auch wegfallende Arbeitszeit zur Teilzeitarbeit könnte hier für mehrere Jahre sinnvoll mit eingerechnet werden.
Einbau eines Kinderfaktors in die Rentenversicherung
Die zukünftige Rentenhöhe sollte von der Kinderzahl abhängen, um die in Kinder getätigten Investitionen zu berücksichtigen.
Der KRFD fordert daher den Einbau eines Kinderfaktors in der Gesetzlichen Rentenversicherung.
Steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten
Eltern können momentan zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten und maximal 4.000 Euro von der Steuer absetzen. Der KRFD fordert, die Begrenzung der Absetzbarkeit deutlich zu erhöhen, zum Beispiel auf 8.000 Euro. So kann ein höherer Anteil der tatsächlich anfallenden Betreuungskosten berücksichtigt werden. Und die Nutzung des Steuerfreibetrags sollte ausgedehnt werden. Beispielsweise wäre es im Sinne der kindlichen Förderung, wenn man auch Kosten für Vereine oder Musikschulen sowie die kompletten Kosten für Haushaltshilfen absetzen könnte. Denn all dies würde Familien den Alltag deutlich erleichtern und eine Berufstätigkeit für viele erst möglich machen.
Quote für Mütter und Väter
Eine Quote für weibliche Führungskräfte war in den letzten Monaten in aller Munde. Hier regt der KRFD an, über eine Weiterentwicklung der aktuell existierenden Quotendebatte nachzudenken und auch Mütter und Väter zu berücksichtigen, zum Beispiel bei Teilzeitstellen.
Auswirkungen dieser Maßnahmen
In Deutschland haben überproportional die Geringverdiener oder die Bezieher sehr gehobener Einkommen drei oder mehr Kinder. Gerade die wichtige Mittelschicht in Deutschland hat leider wenige Kinder. Momentan ist die Entscheidung für eine Großfamilie in Deutschland fast nicht möglich. Denn viele Eltern entscheiden sich wegen der starken finanziellen Belastung gegen Kinder oder sehen bei einem oder zwei Kindern ihre absolute Leistungsgrenze erreicht, weil sie die Familie ansonsten nicht mehr mit der notwendigen Berufstätigkeit kombinieren können. Der KRFD will in Deutschland nicht nur arme und reiche Kinder! Wir wollen Kinder aller Schichten und Hintergründe und wir brauchen sie. Die vorgeschlagenen Maßnahmen machen es für den kinderlosen Mittelstand in Deutschland wieder deutlich attraktiver, Kinder – auch mehrere Kinder - zu bekommen, wenn sie das wünschen.
Diese Maßnahmen hätten noch einen weiteren Vorteil: sie würde die Entscheidungsfreiheit stärken, welche Familien- und Betreuungsmodelle jeweils individuell am besten sind. Denn dann hätten Familien endlich den finanziellen Freiraum, sich wieder frei zu entscheiden. Sie würden nicht in die doppelte Berufstätigkeit gedrängt (die für Kinderreiche auch oft kein Modell mehr sein kann) andererseits könnten sie sich für kostspieligere Betreuungsmodelle entscheiden, die notwendige individuellere Lösungen ermöglichen. Und dies ist vor allem für die gut ausgebildete Mittelschicht – wie die kinderlose Akademikerin – wichtig.
Die doppelte Berufstätigkeit (Familie und Beruf) steht im Fokus der deutschen Politik. Wir als Verband kinderreicher Familien warnen davor, sich einseitig auf dieses Thema zu konzentrieren. Denn gerade bei Familien mit mehr als drei Kindern ist eine doppelte Berufstätigkeit oft nicht mehr möglich. In diesen Fällen muss das Interesse der Gesellschaft an Kindern jedoch trotzdem Mechanismen vorsehen, die diesen Familien einen finanziellen Ausgleich und Entlastung verschafft. Damit sie die individuell richtige Entscheidung für die zeitaufwendige Versorgung ihrer Kinder treffen können.