“Wir wollen einen Beitrag zum Bewußtseinswandel leisten” - Interview mit Nicola Treyde (Gingko-Stiftung)

Das nachstehende Interview mit Nicola Treyde erschien zunächst in verkürzter Form in unserem Mitgliedermagazin „3+familie“ (Ausgabe Nr. 6 / 2018). Nachstehend veröffentlichen wir die volle Langfassung.
Seit mehr als drei Jahren unterstützt die von den Eheleuten Udo und Ingeborg Behrenwaldt ins Leben gerufene Gingko-Stiftung auch gezielt kinderreiche Familien. Dabei wurden nicht nur einzelne Familien und Projekte unterstützt, sondern es wurde auch erstmalig die Vergabe von Deutschlandstipendien an Kinder aus kinderreichen Familien ermöglicht.
KRFD: Seit wann gibt es die Gingko-Stiftung und was war der auslösende Impuls für die Gründer?
Nicola Treyde: Mein Vater Udo Behrenwaldt hat die Stiftung zusammen mit meiner Mutter Ingeborg im Jahr 2002 gegründet. Seit seinem Tod vor einem Jahr sind mein Bruder Tobias Behrenwaldt und mein Cousin Nils Galle mit im Vorstand.
In der Tat gab es eine ausschlaggebende Erfahrung für meinen Vater. Einer seiner Schulfreunde arbeitete als gut etablierter Arzt. Er hatte sechs Kinder und das brachte selbst ihn gelegentlich an die Grenze der finanziellen Belastbarkeit. Für ihn gab es keine Möglichkeit, irgendeine Unterstützung zu bekommen, da das Einkommen ja auf den ersten Blick hoch war. Welche Ausgaben demgegenüber standen, wurde nicht anerkannt.
KRFD: Worin sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Nicola Treyde: Die meisten unserer Projekte sind im Bildungsbereich. Wir vergeben Stipendien an Einzelpersonen und haben in Afrika kleinere Projekte, bei denen wir etwa einen Schulbau oder ein Waisenheim unterstützen.
KRFD: Wie viele Projekte (auch Personen) fördern Sie im Jahr und wie erfolgt die Auswahl?
Nicola Treyde: Aktuell unterstützen wie etwa zwölf Projekte und die gleiche Zahl an Stipendiaten. Viele Projekte entstanden aus bereits lang bestehenden Partnerschaften. Soweit es möglich ist, versuchen wir zu unseren Stipendiaten einen persönlichen Kontakt zu halten. Auch wenn es offizielle Kriterien bei der Vergabe der Mittel gibt, sind wir gern bei der Auswahl direkt beteiligt. Besonders gern unterstützen wir Projekte, bei denen wir „anstiften“ können, wo es also einen finanziellen Anschub braucht und die Sache dann künftig allein weiterläuft. Es gibt auch Fälle, da federn wir bei einem gut laufenden Projekt mal einen finanziellen Engpass ab.
KRFD: Warum unterstützen Sie gezielt Bildungsprojekte besonders im musikalischen und medizinischen Bereich?
Nicola Treyde: Das ist wiederum einer persönlichen Erfahrung und wohl familiärer Prägung zu verdanken. Die Impulse kamen aus unserem Umfeld. Wir haben zum einen nette, inspirierende und engagierte Menschen kennengelernt, die ihrerseits Förderer suchen und großartige Arbeit leisten, die unterstützt werden muss. So haben wir ein Patronat bei der Kronberg Academy übernommen und vergeben Deutschlandstipendien, etwa an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf im Studienfach Medizinische Assistenz Chirurgie oder an Medizinstudenten der Goethe Uni Frankfurt.
KRFD: Worin besteht Ihrer Ansicht nach der größte Handlungsbedarf bei der Unterstützung von Familien?
Nicola Treyde: Unter unseren Verwandten gibt es viele Familien mit vielen Kindern. Ich selbst habe vier Kinder, mein Bruder drei. Meine Cousinen fünf, vier und drei. Wir haben uns alle bewusst für eine große Familie entschieden und empfinden die Kinder als Freude und als Quelle tiefer Erfahrungen, die sich durch nichts ersetzen lässt. Aber wir kennen auch alle die Zeiten, in denen die Familie ein finanzieller Balance-Akt ist, selbst bei gut bezahlten Jobs und sicheren Einkommen. Diese persönliche Erfahrung prägt unser Handeln. Deswegen schauen wir bei der Vergabe von Stipendien auch darauf, ob wir einer großen Familie helfen können.
KRFD: Was wünschen Sie sich für große Familien?
Nicola Treyde: Es wäre schön, wenn man der Bevölkerung klar machen könnte, dass eine Mutter mit vier Kindern keine Faulenzerin ist, die sich bequem ins Privatleben zurückzieht, sondern jemand, der täglich einen nachhaltigen Beitrag zur Zukunft unserer Gesellschaft leistet und das im Verborgenen und ohne jeden öffentlichen Beifall tut. Ich würde mich freuen, wenn Kinder nicht zuerst als laut und störend angesehen werden würden, sondern zuerst eine Freude sind.
Die Bevölkerung verbindet viele Kinder mehrheitlich mit Armut und sozial prekären Verhältnissen. Dass Normalverdiener sich bewusst für eine Großfamilie entscheiden, ist den meisten nicht verständlich. Als Stiftung versuchen wir, zu diesem Bewusstseinswandel einen Beitrag zu leisten. Das tun wir gern mit dem KRFD, dessen Arbeit wir bewundern und sehr gerne unterstützen.
KRFD: Vielen Dank für den Einblick in Ihre Arbeit!