Europäischer Verband warnt vor wirtschaftlicher Entwurzelung und seelischer Überforderung der Familien
Mehrkindfamilien ringen sich Höchstleistung ab
Mönchengladbach / Brüssel: Die Corona-Krise bedeutet für die Menschen eine Herausforderung ohne jeden historischen Vorläufer. Insbesondere für Mehrkindfamilien wirken sich die zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Maßnahmen vielfältig aus. „Zeitgleich müssen mehrere SchülerInnen in verschiedenen Fächern und Schultypen von ihren Eltern unterrichtet oder zumindest begleitet werden“, erläutert Dr. Elisabeth Müller, Bundesvorsitzende des KRFD die Situation. „Was die Familien permanent umtreibt, sind die Erschwernisse beim notwendigen Familieneinkauf, der ohne Verpflegung in KiTa und Schule natürlich noch umfangreicher ausfällt, das familiäre Budget deutlich stärker belastet und dazu noch von Misstrauen und Verständnislosigkeit beim Personal der Supermärkte und anderen Kunden führt“, erklärt Müller.
Der KRFD hat umgehend gehandelt und stellt den Mitgliedsfamilien mit der „Corona-Karte“ eine schriftliche Bescheinigung über ihre Kinderzahl aus. Innerhalb weniger Tage wurden über 1000 „Corona-Karten“ ausgestellt. „Der Zuspruch zu unserem Angebot hat uns gefreut und zugleich erschrak uns, welche Not hinter der großen Nachfrage steckt“, führt Müller aus. Zeitgleich wurden alle großen Discounter angeschrieben und auf die besondere Situation der Mehrkindfamilien hingewiesen. „Mit Verständnis für die Dringlichkeit hat Aldi umgehend und wirksam reagiert“, stellt Müller den Discounter heraus.
Die Situation der Mehrkindfamilien in Deutschland bestätigt sich europaweit. Die Vereinigung der Großfamilien in Europa (ELFAC) hat sich deshalb aktuell zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Einschränkungen des öffentlichen Lebens geäußert:
ELFAC-Statement
In diesen Tagen wärmen Bilder von großen Familien, die beherzt und sympathisch ihren Alltag meistern, die Herzen vieler Menschen. Doch hinter der Stärke und Kreativität von Familien mit drei und mehr Kindern verbergen sich handfeste und der Öffentlichkeit oft verborgene Schwierigkeiten.
Erfahrungen von Intoleranz bei den täglichen Einkäufen berichten Familien aus Deutschland. Sie müssen ihren erhöhten Bedarf nachweisen und werden von anderen Kunden misstrauisch beäugt.
Aus Spanien berichtet ein Vater vom Einkauf für seine zehnköpfige Familien, die Großeltern und Urgroßeltern. Weil er im Auto von seinem Sohn begleitet wurde, wurde er mit einer Strafe belegt denn in Spanien ist derzeit nur eine Person pro Auto erlaubt. Die prinzipiell begrüßenswerte digitale Unterstützung und Vernetzung beim Home-Schooling stellt Mehrkindfamilien vor Probleme. So unterstützte in Lettland das Unternehmen SAMSUNG Familien mit Tablets, damit die SchülerInnen an den „E-Klassen“ teilnehmen konnten. Dasselbe Problem bestätigen Verbände aus Italien und sogar aus Estland, das gemeinhin als digitaler Vorreiter in Europa gilt. Viele Mehrkindfamilien können ihre Kinder nicht zeitgleich an Computern arbeiten lassen, denn Familien haben oft zwei, aber nicht fünf Computer zur Verfügung.
Diese Beispiele stellen eine Auswahl der für Mehrkindfamilien in der Corona-Krise sich stellenden Belastungen dar. Dabei wächst laut Eurostat Data jedes dritte Kind in Europa in einer Mehrkindfamilie auf und die Mehrkindfamilien sind keine exotische Minderheit.
„Wir sind in Sorge“, so ELFAC-Präsidentin Regina Maroncelli, „denn auch in der aktuellen Ausnahmesituation sind es erneut die großen Familien, die besonders belastet und zugleich am wenigsten gesehen werden; die einen Mangel an Fairness erleben in einer ohnehin schwierigen Lage. Aus ökonomischer Sicht könnte dies sehr ernste Auswirkungen haben“.
Die Vereinigung der Mehrkindfamilien in Europa (ELFAC) repräsentiert 25 Vereinigungen in 23 europäischen Ländern. Die ELFAC ruft die Europäische Kommission, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Vice-Präsidentin Dubravka Šuice dazu auf, die Arbeit an einer „Kinder-Garantie“ zu intensivieren. Die sogenannte „Child Guarantee“ versteht sich als Garantie gegen Kinderarmut und soll bei staatlichen Leistungen für Familien die Anzahl der Kinder berücksichtigen und das Recht auf Bildung sicherstellen. Die ELFAC bestärkt die nationalen Regierungen, bereits eingeführte Mehrkindfamilienkarten als hilfreiche Maßnahme zu unterstützen, Mehrkindfamilien den wirtschaftlichen Aufstieg zu erleichtern und sie damit auch wirtschaftlich zu stabilisieren. Auf lange Sicht müsse das Ziel eine Europäische Mehrkindfamilienkarte sein.
„Die Institutionen sollten die Stimme der Familien beachten und Familienorganisationen aktiv in die Erarbeitung notwendiger und nützlicher Maßnahmen zur Überwindung der Situation einbeziehen. Wer Familien und Kinder unterstützt, der investiert in die Zukunft, die uns nach dem Corona-Virus erwartet“, so ELFAC-Präsidentin Regina Maroncelli.
Web-Adresse ELFAC-Statement: https://www.elfac.org/elfac-statement-on-the-occasion-of-the-covid-19-pandemic-in-europe-and-large-families/
Pressekontakt KRFD: Dr. Patricia Arndt, presse@kinderreiche-familien.de
Über den Verband kinderreicher Familien Deutschland e. V.
Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e. V. (KRFD) ist im Jahr 2011 aus der Initiative engagierter kinder-reicher Familien entstanden, vertritt 1,4 Millionen kinderreicher Familien in Deutschland und setzt sich in Politik, Wirtschaft und Medien für ihre Interessen ein. Der Verband versteht sich als Netzwerk von Mehrkindfamilien, die sich untereinander unterstützen und die Öffentlichkeit für ihre Anliegen erreichen wollen. Der Verband ist konfessionell ungebunden und überparteilich.
Weitere Informationen finden Sie unter https://www.kinderreichefamilien.de