Stellungnahme des KRFD zur Erarbeitung des Grundsatzprogrammes der CDU Deutschland

Stellungnahme des KRFD zur Erarbeitung des Grundsatzprogrammes der CDU Deutschland

Die CDU entwickelt ihr neues Parteiprogramm anhand von Leitfragen. Familienpolitik wird insbesondere unter Pkt. 7 behandelt. Ermutigt durch die Bemühung der CDU Deutschlands um Anregungen für ihr Programm auf breiter öffentlicher Basis, möchte unser überparteilicher und überkonfessioneller Verband, der sich für die Familie einsetzt, einige der hier genannten Fragen aufgreifen. Jedes dritte Kind wächst in einer Mehrkindfamilie auf. Mindestens acht Millionen Menschen, 10% der Gesamtbevölkerung, leben in einer Familie mit drei Kindern und mehr. Mehrheitlich leben diese Familien in der Mitte der Gesellschaft. Eltern in diesen Familien übernehmen überdurchschnittlich viel Verantwortung, und zwar für die Spanne eines Menschenlebens: Sie leben Verantwortung gern, halten der Doppelbelastung Arbeit und Familie stand, bilden und erziehen Kinder und sind somit eine wesentliche Stütze unserer Gesellschaft. Diese Stütze heißt „Zukunft“. Nachweislich ist der Anteil der Mehrkindfamilien in unserem Land über die letzten Jahrzehnte deutlich gesunken – deutlicher als der Anteil der Ein- und Zweikind-Familien. Der Geburtenrückgang hängt laut der aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu 68 Prozent am Rückgang der Mehrkindfamilien. Wir sind überzeugt, dass nur durch eine ausreichende Berücksichtigung der nachfolgend aufgeführten Aspekte die familienpolitische Programmatik der CDU den Bedürfnissen der Menschen in unserem Land gerecht wird.

7. Wie unterstützen wir jeden Einzelnen und die Familien in allen Lebensabschnitten?

7.1. Wie gelingt es uns, auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes die Bedürfnisse der Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen zu berücksichtigen?

Wir leben in einem freiheitlichen Land, das beharrlich daran arbeitet, für die Akzeptanz verschiedener Lebensentwürfe zu werben und jeder Form der Geringschätzung und pauschalen Verurteilung entgegenzuwirken. „Wertschätzung“ ist zu Recht zu einer wichtigen Kategorie geworden. Wertgeschätzt werden sollen menschliche Leistungen wie Verantwortungsbereitschaft, Fürsorge, Treue, Zugewandheit. Diskriminierung soll beharrlich entgegengewirkt werden. Vor diesem Hintergrund möchten wir als Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. den Lebensentwurf der Mehrkindfamilie in Erinnerung rufen. Macht es die Funktionsweise unserer Gesellschaft unmöglich, den Lebensentwurf Mehrkindfamilie zu realisieren? Ist es existenzbedrohend, Eltern zu werden und gar mehr als zwei Kinder zu haben?

Diesen Fragen müssen wir uns stellen, gerade auch wenn es gilt, unterschiedliche Lebenssituationen in unserem Land zu berücksichtigen. Denn ist es nicht so, dass gerade die zunehmende Vielfalt von Lebensentwürfen erst realisiert und erhalten werden kann, wenn zugleich ein gesamtgesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt wird? Nicht zuletzt der Blick auf unsere sozialen Sicherungssysteme, auf die sich selbstverständlich auch Alleinstehende und kinderlose Paare verlassen können müssen, zeigt unmissverständlich, wie viel große Familien für diesen Zusammenhalt leisten. Die besonderen Herausforderungen ihrer Lebenssituation müssen angemessen berücksichtigt werden. Eine konkrete Entlastung und eine kluge Investition zugleich sind Familienkarten, die die Barriere zu Kultur-, Freizeit-, und Bildungsmöglichkeiten verringern können.

7.2. Welchen Stellenwert haben Ehe und Familie für unsere Gesellschaft?

Nach wie vor wachsen die meisten Kinder bei ihren leiblichen Eltern auf, die in einer ehelichen Gemeinschaft verbunden sind – gleich ob konfessionell oder nicht konfessionell. Die Ehe als verbindliche Lebensform ist für die meisten Familien die klassische Lebensform und sie nimmt so wichtige Aufgaben wahr, die sich später gesellschaftlich stabilisierend auswirken. Deswegen tut der Staat gut daran, Ehe und Familie zu unterstützen, zu wertschätzen und in ihrer Leistung anzuerkennen – wohlgemerkt ohne andere Lebenswege gering zu schätzen. Die Leistung alleinerziehender Eltern wird ja gerade erst vor dem Hintergrund deutlich, dass die Erziehungsaufgabe so anspruchsvoll ist, dass die Verteilung auf zwei Schultern eigentlich wünschbar ist. Das Ehegattensplitting ist das bislang bewährte Modell, die Ehe sachgerecht zu besteuern und nicht gegenüber steuerlich anerkannten reinen Wirtschaftsgemeinschaften zu benachteiligen, die in einer mit dem Splitting vergleichbaren Weise besteuert werden. Die notwendig maßvolle Weiterentwicklung des Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting wäre eine sachgerechte politische Reaktion auf die Vervielfältigung von Lebensentwürfen. Kern jeder Splitting-Regelung muss in jedem Falle sein, Familien und miteinander gelebte ökonomische Verantwortung wertzuschätzen und ungerechte Belastung abzufedern. Die Besteuerung sollte die tatsächliche Familiengröße berücksichtigen.

Zu der sachgerechten Besteuerung der Gemeinschaft Familie tritt die Erwägung, Familien in der Phase ihres Lebens, in der die familiäre Arbeit groß und der Finanzierungsbedarf hoch ist, gezielt zu fördern. Es geht hier auch um eine Frage der Gerechtigkeit und der ehrlichen Bilanzierung der Leistungen dieser „Keimzelle der Gesellschaft“. Denn der Schritt zum dritten Kind wird von immer mehr Familien gescheut. Zu hoch sind bereits die „Anfangskosten“, beginnend bei dem schwer zu finanzierenden und überhaupt zu findenden geeigneten Wohnraum bis hin zum dann fälligen größeren Familienauto – drei TÜV-geprüfte Kindersitze nebeneinander passen nicht einmal in eine Limousine.

7.3. Wie schaffen wir gute Rahmenbedingungen, damit Familien ihren Beruf, die Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen erfolgreich unter einen Hut bringen können?

Familienarbeit muss als Arbeit anerkannt und in ihrem gesellschaftlichen Wert gewürdigt werden. Es sind „stumme Leistungen“, die sich zwar in der Bilanz des Staates in Form des Bruttosozialproduktes nicht niederschlagen, ohne die aber ein Staat nicht bestehen kann. Erziehungszeiten müssen bei der Alterssicherung angemessen anerkannt werden. Kinder müssen bei der Berechnung der Beitragssätze zu allen Sozialversicherungen realitätsgerecht berücksichtigt werden. Pflegezeiten dürfen nicht als „Auszeiten“ oder blinde Flecken in der Biographie stigmatisiert werden: „Korridorzeiten für Erziehung und Pflege“ müssen bei jeder Personalplanung berücksichtigt werden: Zeitkonten wären hier ein wichtiges Signal. Menschen leben auch regelmäßig in Beziehungen. Der Mensch ist auf Gemeinschaft ausgerichtet, muss daher auch in seiner Beziehung und Eingebundenheit gedacht werden: Das wäre eine konkrete Anwendung des christlichen Menschenbildes, wie es die CDU sich zum Anspruch macht und das für jeden Lebensentwurf eine Anwendung findet.

Diese Perspektive auf den Menschen eröffnet zugleich eine neue Sicht auf sein Potential – als Nachbar, als Freund, als Kollege, als Elternteil, als Kind, als Erziehender. Es geht um die Neuentdeckung von Ressourcen, die in der Gemeinschaft und auch in jedem Unternehmen eminent wichtig sind.

7.4. Wie ermöglichen wir Eltern und Familien, sich nach ihren Wünschen und Bedürfnissen für eine Aufteilung der Erwerbs-, Betreuungs- und Erziehungsarbeit zu entscheiden?

Eltern muss mehr Spielraum gewährt werden, Erwerbs- und Familienarbeit zu koordinieren und abzustimmen. Die Anforderungen an Qualifikation, zeitlichem Einsatz und Mobilität sind in unserer Gesellschaft enorm. Das Familienleben zeichnet in der Regel ganz andere Erwartungen, Kinder folgen einem anderen Rhythmus. Damit Familien, gerade in den Anfangsjahren, nicht „aus dem Tritt kommen“, brauchen wir kreative Lösungen und vor allem lebensnahe Einschätzungen hinsichtlich der Rhythmen und Erwartungen von Familie und Arbeitswelt. Dass sich die Arbeitswelt von der „Natur des Menschen“ entfernt, zeigt die hohe Zahl an Überlastungssymptomen. Auch Familien können an diesen Symptomen leiden und zerbrechen. Die Folgen wiegen jeweils schwer. Damit Familien über ihre Berufstätigkeit sowohl Kindererziehung als auch Alter absichern können, muss der Staat schon aus eigenem Interesse die Betreuung im Kita-Alter und in der Schule qualitativ solide absichern. Realistisch betrachtet, gehören Eltern mit Kindern im Vorschulalter zu den einkommens-schwächeren Bevölkerungsteilen. Sie stehen häufig am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung und sehen sich relativ hohen Kosten, bedingt durch die Familiengründung oder Familienerweiterung, gegenüber.

7.5. Wie richten wir Familienpolitik am Wohl der Kinder aus, ermöglichen Teilhabe aller und wie unterstützen wir Alleinerziehende und deren Kinder?

Kinder entwickeln sich am besten in Familien, die nicht unter permanentem Stress leiden. Wenn das Leben zu einem tagtäglich strapaziösen Balance-Akt zwischen beruflichen und familiären Verpflichtungen wird, dann übertragen sich Stress und Überforderung der Eltern auf die Kinder. Deswegen sollte der Staat in eine gute, verlässliche Infrastruktur investieren, Erziehungsarbeit in jeder Form wertschätzen, indem er sie bei der Alterssicherung deutlich anerkennt, und Arbeitgeber hinsichtlich der kreativen Gestaltung von Wiedereinstiegen, Arbeitszeitmodellen und der Entdeckung von elterlicher Kompetenz über Anreize fördern. Die Beschäftigung von Eltern muss sich von einem „Zugeständnis“ in ein „Qualitätsmerkmal“ wandeln. Ein nur auf den ersten Blick kühner Gedanke wäre, bei gleicher Qualifikation Personen mit Fürsorgepflichten bevorzugt einzustellen.

7.6. Welche Verantwortung haben Eltern und Staat bei der Erziehung, Förderung und Betreuung der Kinder?

Artikel 6 des Grundgesetzes bestimmt: „(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Die Eigenständigkeit und Subsidiarität der elterlichen Erziehung und die rechtliche Anerkennung der Familie als freigewählter und dem Gemeinwohl nutzender Lebensform sind damit gewährleistet. Die Einführung von Kinderrechten in die Verfassung darf nicht zu einer Einschränkung oder Infragestellung des Primats des elterlichen Erziehungsrechtes führen. Fast alle Vorschläge, neue Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen, würden aber die Elternverantwortung zu Gunsten des Staates schwächen. Bereits eine nur augenscheinlich kleine Änderung des Artikel 6 Absatz 1 hätte diese Folge, wenn formuliert würde: „Kinder, Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Die öffentliche Hand würde so ermächtigt, unmittelbar für die Kinder zu handeln und damit einen direkten Einfluss auf die elterliche Erziehung zu nehmen. Die Erstverantwortung der Eltern, die Absatz 2 ausdrücklich regelt, würde geschwächt. Eine solche oder ähnliche Verfassungsänderungen würden in Kombination mit der bereits heute im Jugendrecht geltenden Regelungen jede Familie und insbesondere Alleinerziehende Maße betreffen – ihr Erziehungsrecht könnte zu schnell eingeschränkt werden. Artikel 6 sollte deshalb nicht verändert werden.

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ÜBER DEN KRFD

Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. ist im Jahr 2011 aus der Initiative engagierter kinderreicher Familien entstanden, vertritt 1,4 Millionen kinderreicher Familien in Deutschland und setzt sich in Politik, Wirtschaft und Medien für ihre Interessen ein. Der Verband versteht sich als Netzwerk von Mehrkindfamilien, die sich untereinander unterstützen und die Öffentlichkeit für ihre Anliegen erreichen wollen. Der Verband ist konfessionell ungebunden und überparteilich.

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